Unweit Ballenstedt
ragen zwei Felsen empor, welche die seltsame Bezeichnung "der
stumme und der laute Gegenstein" tragen. Jetzt sind sie
beide stumm, aber der laute Gegenstein hat einmal getobt,
lauter als ein Mensch es vermag und lauter, als man es hören
mochte.
Das war so:
In Ballenstedt, welches früher ein kleines Dorf war,
lebte ein bemittelter Bauer; der war geizig über die
Maßen und wenn er glaubte, einen Profit zu machen, war
ihm jedes Mittel recht. An einem schönen Sonntagmorgen
ritt er auf Quedlinburg zu, um dort in die Kirche zu gehen.
Vor Tau und Tag war er aufgestanden und hatte geschafft im
Stall, Scheuer und Hof. Davon war er müde geworden und
statt den schönen Morgen zu genießen, schlief er
auf seinem Pferde ein. Plötzlich stand der Braune. Der
Bauer erwachte, aber alles Hüh und Hott brachte das Tier
nicht wieder in Bewegung. Er stieg herab und nun sah er zu
seinem erstaunen, dass ihm die ganze Gegend fremd war. Nur
an den beiden Felsen erriet er, dass er in der Nähe der
Gegensteine sei. Mit Staunen jedoch bemerkte er an dem Felsen
eine Tür. er ging herzu, öffnete die Tür und
sah, dass drinnen im Felsen eine Treppe abwärts in eine
Höhle führte. Unten aber gewahrte er einen Haufen
Gold- und Silbergeld. Links daneben lag eine silberne Peitsche,
rechts eine riesiger Hund, der wütend zu dem Bauer empor
glotzte aus feurigen funkelnden Augen. " Ach was",
dachte der Bauer, "werde mich doch vor dem Hunde nicht
fürchten!" ging hinunter und holte sich die Tafeln
voll Geld herauf, schüttete es aus und stieg noch einmal
hinab. Da knurrte der Hund leise und drohend, aber er ließ
den Bauer nehmen, soviel er mochte und damit hinauf klettern.
Die Geldgier des Mannes war aber so gewaltig gereizt, dass
er sich nicht versagen konnte, zum dritten male in die Höhle
zu steigen. Diesmal knurrte der Hund lauter und fletschte
wütend die Zähne. Den Bauer gruselte es nun doch,
denn solch grässlichen Hund hatte er noch nie gesehen.
Aber als er oben war, fiel ihm die Peitsche ein. Die Peitsche
im Stich lassen? Nein, da hätte er nicht müssen
solch ein Pferdenarr sein. Um die Peitsche müssten ihn
alle Leute beneiden, meinte er und stieg wieder herab. Auch
die Peitsche ließ ihn der Hund nehmen, als aber der
Bauer Miene machte, sich noch einmal die Taschen voll Geld
zu stopfen, da erhob der Hund ein rasendes Geheul; die Felswände
erzitterten und Feuergarben zuckten aus des Riesenhundes Rachen
und Augen. Dazu bebte der Boden unter den Füßen
des Mannes und er hörte ein Poltern, Krachen und Brüllen,
dass ihm Hören und Sehen verging. Wie er hinaufgekommen
war, wusste er nicht. Er fand sich am Boden liegend in der
nähe der Gegensteine und neben ihm stand sein Brauner.
Es war zu schrecklich gewesen, um das Erlebte für Wahrheit
zu halten, aber - die silberne Peitsche, die er in der Hand
hielt, belehrte ihn, dass er nicht bloß geträumt
hatte. Mühsam stieg er auf sein Pferd und ritt nach Hause.
Dort legte er sich, und acht Tage darauf war er tot.